Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren,
Kommunen haben ein Problem. Celle hat ein Problem.
Es geht um die finanzielle Schieflage, es geht hier allen voran um die Kassenkredite. Zudem gesellt sich das altbekannte Problem der Konnexität, Kommunen müssen mehr und mehr Aufgaben staatlichen Handelns übernehmen ohne dabei auf der Einnahmeseite ausreichend Mittel zu generieren, die all dem entgegengebracht werden können.

In meiner 12jährigen Zeit als kommunalpolitisch Aktiver in hier Celle, 10 Jahre davon hier im Rat, habe ich insgesamt drei verschiedenste OBs kennenlernen dürfen. Dabei ist bei mir folgende Einsicht gereift:

Kein OB der Welt kann die finanziellen Zwänge von Kommunen nachhaltig und entscheidend allein überwinden. Es bleibt ein kleiner Spielraum von Stellschrauben, wie z.B. auch das Etablieren eines sinnvollen Schuldenmanagements.

Allein, die grundsätzliche Situation eines überschuldeten Etats ist damit kaum entkräftet.

Es bleibt die Gewissheit, dass große und notwendige Dinge in der Gesamtbetrachtung nur durch neue Kassenkredite zu stemmen sind. Notwendige Liquidität kostet zusätzliches Geld; Geld, was wir als Kommune nicht haben.

Es bleibt die Frage nach einer Lösung. Und diese Lösung ist so einfach, dass es schon fast weh tut. Wir brauchen ein nachhaltiges und umfängliches kommunales Entschuldungsprogramm durch den Bund.

Schon aus Eigeninteresse muss dem Staat daran gelegen sein, dass die unterste Ebene des Systems derart aufgestellt ist, dass sowohl das Subsidiaritäts- als auch das Konnexitätsprinzip reibungslos seine Wirkung erzielen kann.

Für ein kommunales Entschuldungsprogramm hätte der Staat neue Schulden aufzunehmen. Diese Schuldenaufnahme unterscheidet sich aber grundsätzlich von den kommunalen Kassenkrediten und auch von privaten Schulden. Die staatliche Schuldenaufnahme wäre durch Staatsanleihen zu organisieren. Dieses hätte hier sogar einen netten Nebeneffekt: durch das derzeitige und weiterhin mittelfristig prognostizierte negative Zinsniveau wäre z.B. eine 30jährige Bundesanleihe, die derzeit bei 0% Zinsen notiert ist bei einer angenommenen Inflation von 1,5% am Ende real mit lediglich 63% zu refinanzieren, es müsste also jeder Euro lediglich mit 63 Cent zurückgezahlt werden. Eine bessere Einladung für die öffentliche Hand zur Schuldenaufnahme zugunsten der Kommunen kann es gar nicht geben.

Hier muss sich die Bundesregierung endlich bewegen.

Und ja, der Bundesfinanzminister gehört derselben Partei an wie ich. Leider konnte er sich im Kabinett nicht durchsetzen. Nur muss ich an dieser Stelle keine Koalitionsdisziplin walten lassen. Hier spreche ich aus rein kommunaler Sicht, so wie es meine Aufgabe ist.

Wenig hilfreich war ein kürzlich veröffentlichtes Interview unseres OBs im Rundblick Niedersachsen, Ausgabe 164/2020 vom 17.09.

Das Interview behandelt um die aktuellen Finanz-Hilfen im Rahmen der Corona-Pandemie. Der OB übt darin schärfste Kritik an den Rettungspaketen, spricht in diesem Zusammenhang auch von „Zombie-Firmen“, „Dirigismus“, „Fehlallokationen“ und einer „Belastung zukünftiger Generationen“.

Seine Argumentation ist sowohl volkswirtschaftlich falsch als auch grundsätzlich unklug.

Wie kann ein Oberbürgermeister Unternehmen, die staatliche Unterstützung erhalten haben als „Zombieunternehmen“ brandmarken? Sicherlich gab es bereits vor der Corona-Krise Unternehmen die in finanzielle Schieflage gerieten, aus den unterschiedlichsten Gründen.

Sie wissen auch, dass etliche Celler Firmen Hilfsmittel in Anspruch genommen haben. Wie können Sie dann als erster Bürger dieser Stadt von „Zombieunternehmen“ sprechen? Und welche sind das hier in Celle? Das kleine Ein-Mann-Unternehmen, das Waren führt, die vielleicht nicht mehr so stark nachgefragt werden? Der Mittelständler, der aufgrund von weltpolitischen Krisen, Sanktionen oder ähnliches seine Dienstleistungen nicht wie gewohnt im Ausland absetzen kann? Oder gar der Einzelhändler aus der Innenstadt, der bereits seit langer Zeit am aufstrebenden und durch die Corona-Krise noch verstärkten Online-Handel zu schaffen hat?

Als langjähriger Mitarbeiter des Arbeitgeberservice Celle kenne ich viele Unternehmen hier vor Ort. Und eines ist gewiss: jedes Unternehmen was aufgeben muss, bringt Arbeitslosigkeit, Verringerung der Kaufkraft, Schwächung der lokalen Strukturen, Abwanderungen und die damit einhergehenden sozialen Probleme mit sich. Und alles ist dabei „teurer“ als die von Ihnen kritisierten Rettungspakete.

Auch das Kurzarbeitergeld wird von Ihnen infrage gestellt. Ein überaus erfolgreiches Tool, was derzeit der deutsche Exportschlager schlecht hin ist. Die ganze Welt beneidet uns dafür, Sie hingegen bringen es mit Zombie-Unternehmen in Verbindung.

Sie sprechen von „Generationengerechtigkeit“, die bei der Rückzahlung der Schulden angeblich nicht eingehalten werden kann. Auch hier liegt ein Fehler vor. Sie sind hier dem Mythos erlegen, wonach Staatsschulden kommende Generationen belasten. Das ist aber viel zu kurz gedacht.

Staatsanleihen bedeuten immer, dass neben Schulden auch Vermögen erwirtschaftet wird. Denn es gibt ja einen, der die Anleihen kauft. Wenn also Schulden vererbt werden, so werden auch Vermögen vererbt. Die Gerechtigkeitsfrage stellt sich somit nicht zwischen Generationen, sondern innerhalb ein und derselben Generation. Aber auch hier kann man durch eine sozial kluge Steuerpolitik gegensteuern.

Zusammenfassend kann man sagen, dass Sie sich als erster Bürger dieser Stadt mit dem Interview keinen Gefallen getan haben. Mit Ihrem flammenden Plädoyer für Austerität wären Sie allenfalls – und diese kleine Spitze sei an dieser Stelle erlaubt - in der FDP mehrheitsfähig. Aber auch da bin ich mir nicht mehr ganz so sicher, da auch dort marktradikale Ansichten zum Glück mehr und mehr weichen.

Sind wir uns in der bundes-, finanz- und wirtschaftpolitischen Ebene nicht einig, so finden Sie doch in dem hier von Ihnen, Herrn Bertram, Frau Mrotzek und dem ganzen Team vorgelegten Haushaltsentwurf unsere Zustimmung.

Begründen möchte ich dieses an zwei besonderen Punkten:
1. Der Schaffung einer Deckungsreserve in Höhe von rund 2 Mio. €. Diese ist notwendig, sinnvoll und angemessen. Hier wird uns die Möglichkeit gegeben, kurzfristig auf noch nicht absehbare Folgen der Corona-Pandemie zu reagieren.

2. Mit Verabschiedung dieses Haushalts ermöglichen wir die Förderung des Sports mit über 350.000 €. Das tut unserer Sportstadt gut, das bringt unsere Stadt nach vorne und stärkt nicht zuletzt das Ehrenamt.

Sehr geehrte Damen und Herren,
bei aller Unterschiedlichkeit, die ich eben auch versucht habe aufzuzeigen, sollten wir in der aktuellen und noch nie dagewesenen Krise an einem Strang ziehen und uns den vorliegenden Haushalt mit größtmöglicher Mehrheit geben. Wir wissen nicht, was noch auf unsere Stadt zukommt. Ein Klein-Klein in der jetzigen Situation ist unklug und führt zu nichts.

Der von mir geforderte kommunale Schuldenschnitt liegt nicht in unserer Hand, wohl aber der Wille und die Zuversicht, die Krise gemeinsam zu meistern. Wir geben dazu unser Bestes.

Die SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt 2021 zu.

Vielen Dank!