Statement des Fraktionsvorsitzenden: Thema Stadtbild
Ich erwarte von einem deutschen Bundeskanzler, dass er sich klar und deutlich ausdrückt und zweitklassige, nebulöse Rhetorik unterlässt. Das ist des Amtes eines Bundeskanzlers nicht würdig, und hinterlässt in diesem Fall einen rassistischen Beigeschmack, der zudem feige verpackt ist und die angesprochene Gruppe der „Töchter“ für Merz instrumentalisiert.
Dieser Tabubruch ist Kalkül, Merz wird es später als eine „Zuspitzung“ eines Problems abtun. Was Merz allerdings verkennt, ist, dass seine „Zuspitzungen“ seine eigene Partei und Position schwächt. Bislang galt in der deutschen Gesellschaft der Konsens, dass Zugehörigkeit unabhängig von der Herkunft der Vorfahren besteht. Wenn nun sichtbare Andersartigkeit wieder als Maßstab gelten soll, dann muss man Herrn Merz zwangsläufig fragen, was er als „Norm“ ansieht und wie Integration überhaupt gelingen soll und ob Integration überhaupt noch ein erklärtes Ziel des Bundeskanzlers ist.
Man muss Probleme klar und deutlich ansprechen. Ein Großteil der deutschen Gesellschaft ist mit der aktuellen Lage überfordert. Die Integrationsbereitschaft der deutschen Zivilgesellschaft hat ihren Höhepunkt längst überschritten. Es ist aber kontraproduktiv, Probleme in Vorwürfe, Vorurteile und Emotionen zu verpacken, so wie es der Bundeskanzler turnusmäßig tut. Eine Versachlichung der Debatte ist zwingend geboten. Unbequeme Wahrheiten ansprechen, Lösungen erarbeiten und nicht alles immer als „Kulturkampf“ stilisieren. Das gilt auch für die linke Seite des politischen Spektrums, die anerkennen muss, dass eben eine gefühlte Mehrheit der Gesellschaft die aktuelle Migrationspolitik Deutschlands eher kritisch sieht.
Nach mehrfacher Nachfrage hat Merz heute nun seine „Stadtbild-Aussage“ konkretisiert. Gemeint sind „Einwanderer ohne Aufenthaltstitel und Arbeit, die sich nicht an die in Deutschland geltenden Regeln halten würden“. (Friedrich Merz: Kanzler konkretisiert »Stadtbild«-Aussage zu Einwanderern - DER SPIEGEL). In Deutschland gilt die Regel, dass man ab dem 16. Lebensjahr bzw. nach Abschluss der Schule arbeiten MUSS. Das geltende Aufenthaltsgesetz schließt aber Menschen ohne Aufenthaltstitel grundsätzlich davon aus, insofern halten sich diese Menschen ja gezwungenermaßen an diese Regel. Nirgendwo anders wird die Absurdität der Merz´schen Aussage deutlicher als hier. Ich empfehle Herrn Merz, sich eine Mehrheit im Deutschen Bundestag zu suchen, um das Arbeitsverbot für die betroffenen Menschen zu kippen (siehe meine Aussage unter: https://www.cz.de/lokales/celle-lk/celle/kreis-afd-fordert-arbeitspflicht-fuer-asylbewerber-was-sagt-celler-lokalpolitik-QTWO2XO5H5EARKQLWGUQ2WRLZU.html). Unternehmen suchend händeringend nach Arbeitskräften und das nicht nur im Fachkräftebereich. By the way könnte Herr Merz auch mal verraten, woran man im Vorabeigehen bei einem jungen Mann erkennen kann, welche Nationalität und welchen aufenthaltsrechtlichen Status dieser hat.
Im Interesse aller und vor allem unserer Demokratie hoffe ich, dass sich Herr Merz fortan aufs Regieren und Abliefern guter Politik konzentriert und weniger durch abfällige und nicht hilfreiche Aussagen auffällt. Damit wird er nicht eine Stimme aus dem Lager der AFD wiedergewinnen, eher im Gegenteil.
Was das Stadtbild Celles angeht: ja, es gibt Probleme, die man jenseits der schönen Blumenampeln und gelungenen Städtebaumaßnahmen erkennen kann: den immer noch hohe Leerstand, ein brach liegendes Karstadt Gebäude, Menschen ohne Obdach oder einfach Familien, die aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation eben keine vollgepackten Einkaufstüten schleppen. Und daran ist kein Mensch, der im merz´schen Sinn andersartig ist, schuld.
Patrick Brammer